Das Reinheitsgebot

Im Jahr 1516 wurde in Bayern eine Verordnung über Bier erlassen, die hauptsächlich dazu bestimmt war, Bierpreise und Biersteuern zu regeln. Außerdem sollte für Bier nur noch Gerstenmalz verwendet werden und Weizen aufgrund der Getreideknappheit nur noch zum Backen von Brot. Das bayrische Königshaus, das von dieser Regelung ausgenommen war, sicherte sich damit nebenbei ein Monopol zum Brauen von Weizenbier und verdiente damit viel Geld. Derartige Bierverordnungen waren aber in Süddeutschland zu dieser Zeit nicht unüblich, wo es vorher auch schon ähnliche Gesetze gegeben hatte.

 

In den norddeutschen Städten, so auch in Hannover, gab es zur gleichen Zeit deutlich weniger Bierverordnungen. Durch die Hanse gab es einen harten Wettbewerb, Biere mit schlechter Qualität hatten auf dem freien Markt kaum eine Chance und die Preise regelten sich gemäß Angebot und Nachfrage von selbst. Aber auch in den 200 Jahren nach Ende der Hansezeit hatten Bierverordnungen im Norden keine größere Bedeutung.

 

Deutscher Braumeister um 1430
Deutscher Braumeister um 1430

 

Das änderte sich erst Ende des 19. Jahrhunderts, als die Industrialisierung auch das Brauwesen erfasste und immer mehr Großbrauereien entstanden. Großbritannien war in Sachen industrieller Entwicklung Deutschland weit voraus und britisches Bier wurde für den deutschen Markt immer mehr zur Bedrohung. Bei der Suche nach geeigneten Abwehrmaßnahmen erinnerte man sich schließlich an das bayrische Biergesetz aus der frühen Neuzeit und im Jahr 1906 wurde das wiederentdeckte „Reinheitsgebot“ im gesamten Deutschen Kaiserreich zum Gesetz.

 

Seitdem feiert vor allem die deutsche Bierindustrie das Reinheitsgebot, als wäre es der heilige Gral deutscher Braukunst. In den Werbetexten wird es z.B. als ältestes deutsches Lebensmittelgesetz gepriesen, das natürlich immer nur dem Verbraucher-schutz gedient habe und niemals wirtschaftlichen Interessen. Ausgerechnet in Bayern sehen das heutzutage besonders die Betreiber kleinerer Brauereien meist kritisch und das Reinheitsgebot eher als eine Maßnahme zur Beschränkung der Vielfalt, an der vor allem die großen Bierkonzerne ein Interesse haben.